Daheim in Pettneu
Franz Kurz wurde 1846 geboren und kannte das Schwabengehen von den Nachbarn aus dem Dorf. 1858 beschloss er als 12-jähriger Bub, selbst ins Schwabenland zu ziehen. Zuhause wollte er der harten Feldarbeit entkommen und stattdessen lieber „einen Lohn in Barem und hohe Stiefel verdienen“ – was eine Arbeitsstelle in Oberschwaben versprach. „Der Abschied war mir leicht“, so schrieb er in späteren Jahren. Ihn schien die Abenteuerlust getrieben zu haben und so brach er im Frühjahr mit fünf Schulkameraden und einer erwachsenen Begleiterin von Pettneu auf.
Auf dem Weg in die Fremde
Von Pettneu war´s nicht weit bis zum Arlbergpass. Von dort ging es immer bergab, bis Bregenz und der Bodensee in Sicht kamen. Franz staunte: Die große Wasserfläche, prächtige Schiffe und schöne Ortschaften erregten seine Aufmerksamkeit. Die Hinreise verlief ohne Zwischenfälle, nicht so jedoch die Rückreise. Franz war im Herbst 1858 schon bis Klösterle gekommen, so dass ihn nur noch der Arlberg von Zuhause trennte. Über Nacht war ziemlich viel Schnee gefallen, so dass der Aufstieg sehr beschwerlich wurde. Bei heftigem Sturm und eisigen Schneewehen verlor er die Führerin und den Rest der Gruppe aus den Augen. Auf sich alleine gestellt, versuchte er, den richtigen Weg zu finden: „Mich fror entsetzlich, besonders an der rechten Hand, mit der ich den Stock hielt.“ Halb erfroren wurde er schließlich von zufällig vorbei kommenden Soldaten gerettet und ins nahe gelegene Stuben gebracht, wo er gesund gepflegt wurde. Mit dem Postwagen wurde er schließlich bis nach Pettneu transportiert.
Bei den Bauersleuten in Oberschwaben
Franz Kurz kam nicht auf den Hütekindermarkt in Ravensburg, sondern fand durch einen Zufall bereits vorher eine Stelle: „Ein Herr mit einem Einspänner fuhr uns entgegen. Er hielt an und fragte, ob einer von uns Lust hätte, bei seinem Herrn bis 28. Oktober Dienst zu nehmen“. Franz wurde mit ihm schnell handelseinig und trat seinen Dienst bei einer Bauernfamilie in Bodnegg an, die ihn freundlich aufnahm. Der dortige Knecht hingegen traktierte Franz schon am ersten Tag mit Ohrfeigen, so dass er den Entschluss fasste, sich selbständig eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Glücklicherweise wurde der Knecht aber vorher entlassen – wegen Trunksucht und rohen Benehmens. Der Sommer brachte für Franz viel Arbeit, aber auch viel Lehrreiches. Im Herbst bekam er 7 Gulden Lohn und lange Stiefel, die er sich vor der Rückreise auf den Rucksack band. Den Bauersleuten gab er das Versprechen, im nächsten Jahr wieder zu kommen.
Erwachsenenleben eines ehemaligen Schwabenkindes
Die Biographie von Franz Kurz zeigt ein eher außergewöhnliches Schwabenkinderleben. Er wurde später Direktor der städtischen Volksschule in Kufstein und schrieb 1899 eine ausführliche Verkehrsgeschichte des Arlbergs, in der auch seine Erlebnisse als Schwabenkind notiert sind. 1888 kehrte er während der Ferien als Erwachsener nach Oberschwaben zurück und stattete seinen ehemaligen Dienstherrn einen Besuch ab: „Es war eine große Freude, und dass es, weil ich nun eben auch Schwäbisch verstand, viel ´z schweatza` gab, ist wohl zu glauben“.