Kinderarbeit in Deutschland
Die Arbeit, der Schwabenkinder nachgingen, wäre heute in Deutschland nicht mehr erlaubt. Das Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (JArbSchG) soll Kinder unter 15 Jahren davor schützen, einer Arbeit nachzugehen. Trotzdem gaben bis zu 50% der Kinder im Alter von 12 bis 16 Jahren an, neben dem Schulbesuch schon mal einer Arbeit nachgegangen zu sein. Zeitungen austragen, das Aufpassen auf Kinder oder Tiere, Einkaufen für andere Leute sind dabei klassische Tätigkeiten.
Im Vergleich mit Situationen in anderen, vor allem außereuropäischen Ländern, erscheint dies kaum erwähnenswert. Tatsächlich gibt es auch in unserem Deutschland Familien, in denen die Jobs der Kinder eine finanzielle Unterstützung bilden. Allein die Schulpflicht jedoch verhindert, was zu Zeiten der Schwabenkinder Gang und Gäbe war – dass Kinder den Schulbesuch abbrechen, um die Familie mit zu ernähren.
Was also ist Kinderarbeit überhaupt? Diese Frage kann an dieser Stelle kaum hinlänglich beantwortet werden. Daher gilt im Folgenden die Definition durch ILO (International Labour Organization) des Begriffs „Kinderarbeit“ (ILO-Übereinkommen 138 und 182). Mehr dazu finden Sie unter www.ilo.org.
Zahlen und Fakten
Seit einigen Jahrzehnten ist das Problem der Kinderarbeit vor allem eines der Dritte Welt Länder. Wie zu früheren Zeiten in Europa, ist Kinderarbeit eng mit der Armut verknüpft.
52,8% aller erwerbstätigen Kinder zwischen 5 und 17 Jahren weltweit, die einer Arbeit nachgehen, leben im Asien-Pazifik-Raum; im sub-saharische Afrika sind es 30,2% und in der Region Lateinamerika/Karibik liegt der Anteil bei 6,6%. Dabei ist zu beachten, dass die Zahl der jüngeren Kinder (5 bis 14 Jahre) im sub-saharischen Afrika um 18,1 % anstieg, während sie in den beiden anderen Regionen rückläufig war. Zudem macht die Gruppe der 5 bis 17jährigen Kinderarbeiter im sub-saharischen Afrika etwa ein Viertel aller Kinder dieser Altersgruppe in dieser Region aus (Stand 2008). Bemerkenswert ist hierbei noch, dass immer von Ganztagsbeschäftigungen ausgegangen wird – würden die Halbtags-Arbeiten hinzugerechnet, würde sich die Zahl der arbeitenden Kinder weltweit laut Angaben der ILO vermutlich mindestens verdoppeln.
Im Jahr 2008 waren 60% aller arbeitenden Kinder zwischen 5 und 17 Jahren im Agrarsektor beschäftigt. 25,7% arbeiteten im Dienstleistungssektor, weitere 7% in der Industrie. Der Anteil der Jungs lag bei 59,3%, der der Mädchen bei 40,7%. Die Jungen waren vor allem im Agrarsektor sowie in der Industrie beschäftigt, Mädchen dagegen überproportional im Dienstleistungssektor.
Etwas mehr als die Hälfte aller Kinderarbeiter weltweit geht einer gefährlichen Arbeit nach, d.h. sie verrichten Tätigkeiten, die der seelischen und/oder körperlichen Gesundheit und/oder Sicherheit schaden und sich auf die sittliche Entwicklung des Kindes auswirken kann. Auch übermäßige Arbeitsbelastungen gelten dabei als Gefahr.
Ursachen
Die häufigste Ursache für Kinderarbeit ist Armut. In einem entsprechenden Entwicklungsstand wie seinerzeit die Industrieländer, ist die Kinderarbeit in den heutigen Schwellenländern vergleichsweise stärker verbreitet. Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung jedoch ist das Bewusstsein für die Problematik viel größer, sodass auch der internationale Druck steigt.
Dieser Druck wiederum verschlimmert die Kinderarbeit im ersten Moment eher als die Situation der Kinder zu verbessern. Gefördert wird die Kinderarbeit in erster Linie von den eigenen Familien, die auf das Einkommen der Kinder angewiesen ist. So sind Familien in den Ländern, in denen es Kinderarbeit gibt, häufig besonders groß – denn die Eltern können mit mehr erwerbstätigen Kindern ein höheres Familieneinkommen erzielen. Für dieses Geld jedoch können oft auch wenigstens ein oder zwei Kinder der Familie die Schule besuchen.
Es stellt sich hier folgendes Problem dar: Internationaler Druck und Boykotte von Produkten, die durch Kinderarbeit entstanden, kann für die Kinder und die Familien schlimmer sein als die eigentliche Kinderarbeit. Denn wenn die Kinder ihre Arbeit verlieren, kann evtl. gar kein Kind der Familie mehr die Schule besuchen oder schlimmer noch, das Geld für die Ernährung fehlt. Im ersten Moment kann es folglich für die Kinder die schlimmere Situation sein, gar keine Arbeit zu haben.
Formen
Die Formen der Kinderarbeit sind denkbar vielseitig. Noch immer arbeiten die meisten Kinder im landwirtschaftlichen Bereich. Doch auch für Dienstleistungen und in der Industrie werden sie beschäftigt. Daneben werden Kinder immer wieder Opfer von Prostitution und Menschenhandel.
Dies jedoch ist mitnichten nur eine Angelegenheit der Dritte Welt Länder: So wurde im Oktober 2010 beispielsweise berichtet, dass rumänische Kinder bei der Feldarbeit in England entdeckt worden seien. Und auch in den USA arbeiten während der Erntezeit fast 400.000 Kinder bei der Ernte – wobei einige ihren Eltern helfen, andere jedoch auch arbeitend durch das Land ziehen, bis zu 12 Stunden am Tag arbeiten und so häufige Schulausfälle entstehen.
Mehr Aufsehen erregten vor allem Kinder in den Teppich- und Textilindustrien. Erst im September 2011 wurde von Kindern berichtet, die als Arbeitssklaven in Vietnam in einer Bekleidungsfabrik gehalten wurden. Ebenfalls für Schlagzeilen sorgten die tausende von Kindern, die in Bangladesch in der Schiffsabwrackungsindustrie arbeiten. Die Kinder, aber auch die erwachsenen Arbeiter arbeiten mit bloßen Händen und häufig mit wenig oder gar keiner Fußbekleidung. Diese Arbeiten – wie auch andere – sind nicht nur körperlich extrem anstrengend, sondern auch lebensgefährlich.
Schutz und Rechte – Initiativen weltweit
Insgesamt waren nach Angaben der ILO im Jahr 2008 weltweit 215,3 Mio. Kinder von Kinderarbeit betroffen. Dies sind 13,6% aller 5- bis 17jährigen Kinder weltweit. Viele Initiativen setzen sich für die Rechte von Kindern ein, um durch verschiedene Ansätze und Projekte die Situation dieser Kinder zu verbessern. Zu nennen sind hier vor allem terres des hommes, aktiv-gegen-kinderarmut und natürlich die International Labour Organization. Daneben gibt es aber noch viele weitere Organisationen und Projekte.
Zuweilen wird die Kritik laut, dass diese Organisationen mit dem Druck auf die jeweiligen Länder und eventuelle Boykotte gegen bestimmte Produkte genau das Gegenteil dessen erreichen, was sie wollen – sodass diese Handlungen die Kinderarbeit eher verstärkten denn verhinderten. Diese Theorie wird mitunter durch Erfahrungen auch untermauert. (Link zum Abschnitt „Ursachen“)
Doch was tun mit dieser Erkenntnis? „T-Shirts aus Kinderhand“ kaufen?
Armut ist ein Grund für die Kinderarbeit. Andersherum jedoch ist die Kinderarbeit auch ein Grund für die Armut. Denn wo Kinder eingesetzt werden, ersetzen sie Erwachsene und senken die Löhne in dem jeweiligen Sektor bzw. der Region.
Die Lage der heutigen Schwellenländer ist im Grunde vergleichbar mit derjenigen einstiger Industrieländer. Mit der Globalisierung jedoch vernetzten sich Industrie und Handel so sehr, dass auch die Problematik der Kinderarbeit nicht mehr auf einzelne Länder beschränkt bleibt. Dies erschwert die Hilfe für die Familien und die Arbeit gegen die Armut zusätzlich – denn wirtschaftliche Veränderungen in einem Land haben globale Auswirkungen.
Links und Literatur
Die Angaben basieren auf folgenden Veröffentlichungen:
ProNats e.V. - Kindheit und Arbeit
Aktiv gegen Kinderarbeit - Material
Aktiv gegen Kinderarbeit - Fälle
CARE Deutschland-Luxemburg e.V.
Terres des Hommes - Hilfe für Kinder in Not
Bundeszentrale für politische Bildung - Wissen
Patrick Bernau, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.11.2009, Nr. 47